Vortrag am 05.03.2019: Künstliche Ernährung – Segen oder Fluch
Der Referent des heutigen Abends, Dr. Erhard Waldhausen, war 30 Jahre lang bis 2005 Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin am Johanna-Etienne-Kranken-haus in Neuss.
In seinem Vortrag demonstrierte er an ausgewählten Fällen aus der Praxis in drastischer Weise die Gefahren der künstlichen Ernährung. Er meinte: „Die künstliche Ernährung“ sei zahlenmäßig die größte Tragödie der Medizingeschichte. Wir hätten früher die künstliche Ernährung für eine Selbstverständlichkeit gehalten. Die Intensivstation sei damals von Ärzten, Schwestern und Pflegern als „Hölle auf Erden“ empfunden worden, weil trotz aller Bemühungen aus unerklärlichen Gründen Koma und Muskellähmungen entstanden, sodass eine apparative Beatmung erforderlich wurde und Patienten am sogenannten Multiorganversagen mit den Zeichen für eine Sepsis (bakterielle Blutvergiftung) verstarben oder nicht vom Beatmungsapparat abtrainiert werden konnten
Ihm wurde damals bewusst; Glukose sei normalerweise ein Hauptbrennstoff. Aber in Nahrungsmangel und schweren Erkrankungen stelle sich der Organismus auf Verbrennung von Fett und Eiweiß aus der eigenen Substanz um. Die Glukose aus der künstlichen Ernährung werde nicht normal verbrannt, sondern könne das Zuckerkoma mit Schäden an Nerven, Muskeln und allen Organen verursachen.
Schlussfolgerung: Bei drei Prozent der künstlich ernährten Patienten seien Koma und Muskellähmungen entstanden. Nach Absetzen der künstlichen Ernährung hätten die Patienten sich wieder erholt. Seitdem die Ernährung nach Operationen und schweren Erkrankungen auf das Essen von Fleischbrühe und Zwieback nach „Appetit“ umgestellt worden sei, seien die typischen Effekte der glukosehaltigen künstlichen Ernährung nicht mehr entstanden.
Schon vor einhundert Jahren habe man gewusst: Ohne Essen – nur mit Trinken von Wasser – überlebten Menschen 30 Tage ohne erkennbare Schäden. Seit Menschen-gedenken seien Rinderbrühe und Hühnersuppe als Krankennahrung bekannt. Fleischbrühe enthalte das Gleiche, was der Organismus sich in Nahrungsmangel und Erkrankung als Brennstoff aus der eigenen Substanz hole: Fett und leicht lösliches Eiweiß.
Abschließender Rat: In einer Patientenverfügung und in einer Vorsorgevollmacht solle jegliche künstliche Ernährung bei akuten Erkrankungen in Krankenhäusern wegen nicht vorhersehbarer lebensbedrohlicher Effekte ausgeschlossen werden.
Auf die ethischen und rechtlichen Aspekte der künstlichen Ernährung bei alten oder dementen Personen ging der Vortrag nicht ein. Sie wurden in der anschließenden lebhaften Diskussion gestreift. Ein menschenwürdiges Leben beinhaltet auch die Annahme des Sterbens. Diese Haltung muss der Arzt respektieren. Er darf deshalb bei Sterbenden ohne Einwilligung des Patienten keine lebensverlängernden Maßnahmen treffen. Das Legen einer Magensonde bei Sterbenden ist eine lebensverlängernde Maßnahme. Liegt eine Patientenverfügung vor, in dem der Patient solche Maßnahmen ablehnt, muss der Arzt den Wunsch des Patienten zu sterben akzeptieren.
Die Anwesenden dankten dem Referenten mit einem lebhaften Beifall für diesen interessanten Vortrag.