Vortrag

Vortrag am 17.02.2015: „Was tun Abgeordnete eigentlich (für ihr Geld)?“

Der Referent des heutigen Abends, Otto Fricke, kommt aus Krefeld. Seit 1995 ist er dort als Rechtsanwalt zugelassen. Von 1997 bis 2002 war er Referent der FDP-Bundestagsfraktion in Bonn bzw. Berlin. Bis zum Ende der letzten Legislatur-periode war er Bundestags­abgeordneter der FDP; während der ersten großen Koalition unter Angela Merkel war er außerdem Vorsitzender des Haushalts-ausschusses des Bundestages.

Er berichtete, dass im Parlament viele Juristen vertreten seien. Viele Abgeordnete kommen aus dem öffentlichen Dienst. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass diese Abgeordneten qua Gesetz die Möglichkeit haben, wenn sie nicht wiedergewählt werden, in den öffentlichen Dienst zurückzukehren. Die Zahl der Freiberufler und leitenden Angestellten aus der Industrie ist dagegen geringer, weil diese nach dem Ende ihrer Parlamentstätigkeit nicht ohne weiteres wieder in ihrem Beruf dort einsteigen können, wo sie aufgehört haben. „Quereinsteiger“ gibt es nur wenig; sie haben es meistens schwerer als andere Abgeordnete. Um Abgeordneter zu werden, muss ein Kandidat zunächst von einer Partei nominiert werden. Dies gilt sowohl für diejenigen, die sich als Direktkandidat in einem Wahlkreis bewerben, als auch für diejenigen, die über die Landeslisten der Parteien ein Mandat anstreben. Bei der Auswahl der Kandidaten achten die Parteien meist sehr genau auf gewisse Quoteneinteilungen, so z. B. zwischen Frauen und Männern oder bezüglich Vertretern aus verschiedenen Regionen.

Einmal gewählt, wird der Abgeordnete im Regelfall Mitglied einer Fraktion (seiner Partei). Für viele Entscheidungen des Parlaments ordnet die Fraktionsleitung den sogenannten „Fraktionszwang“ an, wonach alle Abgeordneten einer Fraktion bei der Abstimmung so stimmen, wie vorher in der Fraktion festgelegt. Dieser Fraktionszwang ist eigentlich ein Gegensatz dazu, dass jeder Abgeordnete nur seinem Gewissen verantwortlich ist. Der Fraktionszwang dient aber der Funktionalität der Parlamentsarbeit. Fast immer wird für Gewissensent-scheidungen (Fragen zu Leben, Tod, Sterbehilfe, Abtreibung, Bundeswehr­einsatz etc.) der Fraktionszwang aufgehoben, so dass hier jeder Abgeordnete frei nach seinem Gewissen entscheiden kann.

Die eigentliche Parlamentsarbeit geschieht in Parlamentsausschüssen, die es für zahlreiche Fachgebiete gibt (z. B. Haushalt, Außenpolitik, Sozialpolitik etc.). Die Fraktionen senden ihre Mitglieder in die einzelnen Ausschüsse. In den Ausschüssen werden die Entscheidungen zu Gesetzesvorschlägen vorbereitet; die eigentliche Gesetzgebung findet dann durch Entschei­dung im Plenum statt.

Im Laufe eines Jahres gibt es für das Parlament sogenannte „Wahlkreiswochen“ und soge­nannte „Sitzungswochen“. In den Wahlkreiswochen finden keine Sitzungen des Plenums statt. In dieser Zeit hat der Abgeordnete Gelegenheit zur Kontaktpflege aller Art in seinem Wahlkreis, zur Parteiarbeit oder auch zur Vorbereitung von Arbeiten im Parlamentsaus­schuss. – In den Sitzungswochen herrscht eine genaue Einteilung: montags tagen die jewei­ligen Landesgruppen der Parteien, dienstags die Facharbeitsgruppen, in denen Entschei­dungen der Ausschüsse vorbereitet werden und in denen bereits Kompromisse zwischen den einzelnen Parteien gesucht werden, mittwochs die Ausschüsse (in denen die eigentliche Facharbeit geleistet wird) und donnerstags und freitags das Plenum, das dann endgültig über die verschiedenen Gesetzesvorlagen entscheidet.

Jeder Bundestagsabgeordnete hat ein eigenes Büro mit bis zu sechs Mitarbeitern. Über seinen Schreibtisch gehen etwa 16.000 Bundestags-Drucksachen pro Jahr.

Zahlreiche Lobbyisten aus allen Bereichen des täglichen Lebens versuchen ständig, zu den einzelnen Gesetzesvorlagen die Abgeordneten in ihrem Interesse zu beeinflussen. Dagegen sei an sich nichts einzuwenden. Jeder Abgeordnete müsse aber in jedem Falle letztendlich so entscheiden, wie er allein es für richtig halte und vor seinem Gewissen verantworten könne.

Der detailreiche und sehr informative Vortrag von Herrn Fricke beeindruckte nicht zuletzt dadurch, dass er nahezu druckreif und in völlig freier Rede gehalten wurde. Es gab langen, kräftigen Beifall.

Abschließend beantwortete der Referent sachkundig noch zahlreiche Fragen aus dem Auditorium.