Exkursion am 06.10.2016 nach Velbert-Neviges mit Besuch der Wallfahrtskirche „Maria,Königin des Friedens“
Ein Jahr nach der Fahrt vom 22.09.15 zum Bensberger Rathaus, einem bekannten Bauwerk des Architekten Gottfried Böhm, hatte Probusfreundin Ille Mularski eine Exkursion zu einem weiteren – diesmal sakralen – Meisterwerk desselben Architekten minutiös vorbereitet: zur Wallfahrtskirche in Velbert-Neviges.
Cfin Ille informierte zunächst über den Ablauf des Tages und wies insbesondere darauf hin, dass eine Führung und gemeinsame Besichtigung der Wallfahrtskirche mit Rücksicht auf betende Pilger nicht möglich sei. Sie verteilte drei Informationsblätter an die Teilnehmer und bat darum, dass jeder allein das Gotteshaus besichtigen solle. Anschließend stehe der Franziskaner-Bruder Peter im „Pilgersaal“ für weitere Fragen und ErKlärungen zur Verfügung.
Nach der Ankunft in Neviges gegen 12.30 Uhr nahmen die Teilnehmer eine „gute Pilger-suppe“ im Restaurant „Parkhaus Seidl“ zu sich.
Gegen 14.50 Uhr brachte uns der Bus zur Wallfahrtskirche. Franziskaner-Bruder Peter begrüßte uns dort und gab erste Hinweise zum Bauwerk. Anschließend besichtigte jeder Teilnehmer -wie gewünscht- für sich allein das außerordentlich eindrucksvolle „Gesamt-kunstwerk“: schweigend oder höchstens „flüsternd“ (Bruder Peter).
Der Architekt Gottfried Böhm, geb.1920, gilt als der vielfältigste Baukünstler seiner Generation in Deutschland. 1986 erhielt er als – bis vor kurzem – einziger Deutscher den “ Pritzker-Preis“ für Architektur, sozusagen den Nobelpreis für Architekten. In der Fachliteratur werden drei Hauptphasen seines Wirkens unterschieden. Die Wallfahrts-kirche „Maria, Königin des Friedens“ in Neviges wird der mittleren Hauptphase zuge-rechnet (geplant und gebaut 1963 – 1968: Grundsteinlegung 1966, 1968 Vollendung des Baues und am 22.05.1968 geweiht). Sie gilt als der architektonische Höhepunkt im sakralen Schaffen Gottfrieds Böhms und als typisches Beispiel der „kristalli-nen Betonfelsen“: „Hier dominiert die monumentale Raumplastik, die sich auf unregelmäßigem Grundriss erhebt und in kristallinen Formen in die robusten Faltdächer übergeht“.
Bei den sog. Profanbauten ist nur vergleichbar das vom Probus-Club im letzten Jahr (s.o.) besichtigte Bensberger Rathaus (zeitgleich 1963 – 1969 ), das architektonisch mit der alten Burg eine neue Verbindung eingeht.
Die Probusfreunde/-freundinnen und ihre Gäste konnten während der 45-minütigen individuellen Besichtigung die räumlichen Dimensionen dieser „Großplastik“ auf sich wirken lassen und mit Hilfe der drei Informationsblätter viele interessante Details des Hauptraumes, der Kapellen, der Unterkirche und der integrierten Kunstwerke sowie der von Gottfried Böhm selbst entworfenen Fenster entdecken.
Im anschließenden Gespräch mit Bruder Peter im Pilgersaal stellten Probus-freunde/-freundinnen noch viele Fragen bzw. gaben Anmerkungen/Urteile zu Protokoll.
So wurde z.T. bemängelt, dass der Hauptraum relativ dunkel sei, z.T. zu dunkel, um Details zu erkennen. Andere äußerten, dass gerade dadurch die mystische Wirkung des Raumes erzielt werde. Bruder Peter ergänzte, dass Gottfried Böhm die (relative) Dunkel-heit bewusst gewollt habe, u.a. um die Wirkung der Fenster zu steigern. Außerdem sei ja bei Messen, Andachten usw. die Beleuchtung eingeschaltet.
Auf Nachfrage bestätigte Bruder Peter, dass G. Böhm im ersten Architektenwettbewerb nicht den ersten Platz belegt habe. Auf Drängen des Kölner Erzbischofs Kardinal Frings wurde ein zweiter Wettbewerb mit neuen Vorgaben ausgeschrieben, den G. Böhm dann gewann.
Weiter bestätigte Bruder Peter, dass die Verwendung von Beton als Baustoff die ganz ungewöhnliche Form des Felsendoms ermöglicht habe. Es sei ganz unverkennbar, dass G. Böhm neben dem Studium der Architektur (an der TU München) ein Studium der Bildhauerei (an der „Akademie der Künste“, München) absolviert habe. Zunächst habe G. Böhm selbst über alle Reparaturen bzw. Änderungen an dem Bau selbst entschieden. So habe er sich gegen Kupferplatten auf dem z.T. undichten Dach und für Betonplatten entschieden.
Die Rose, im Altertum Symbol der Göttin Venus, sei im Mittelalter auf die Gottesmutter Maria übertragen worden. Die Rose spiele als häufig wiederkehrendes Motiv der Innengestaltung eine sehr große Rolle.
Gefragt wurde auch nach der Form und der Bedeutung des Altares und nach den großen beschrifteten Wandbehängen. Bruder Peter erläuterte, dass Böhm die Wandbehänge nicht gewollt habe, sondern freie Betonwände. Diese würden allerdings von manchen Pilgern abgelehnt.
Ein Teilnehmer äußerte sein Erstaunen, dass – ausgehend vom sehr kleinen Marienbild („Hardenberger Gnadenbild“) – sich diese Wallfahrten und dieses gewaltige Bauwerk in Neviges entwickelt hätten. Daraufhin berichtete Bruder Peter über die Geschichte des „Gnadenbildes“, die Rolle des Franziskaner-ordens, die Entwicklung der Wallfahrten bis zum Bau des Wallfahrtsdomes in den 1960er Jahre und bis in die heutige Zeit hinein. An die Stelle der in Notzeiten großen Pilgerströme (so 1935: 340 000 Pilger!) oder vieler Pilgergruppen mit festen Programm in den ersten Jahrzehnten kommen, nach dem Bau der Böhm-Kirche, heute zunehmend individuelle Pilger. Neviges sei aber nach wie vor der größte Wallfahrtsort im Erzbistum Köln. Seinem Franziskanerkloster gehörten heute (nur) noch sieben Mitbrüder an.
Um ca. 16.00 Uhr fuhr uns der Bus zum Nostalgiecafe „Bergischer Hof“, wo eine Kaffeetafel auf die „erschöpften Pilger “ wartete. Frisch gestärkt, bestiegen wir dann um 17.00 Uhr den Bus.
Weitere Werke Gottfried Böhms:
1) die Kirche „Christi Auferstehung“ in Köln -Lindenthal (1968-70) („Abschluss einer Reihe von sehr plastischen, skulpturalen Bauwerken“ G. Böhms)
2) frühe Kirchen von G. Böhm in der Nähe: a) „St. Konrad“ in Neuss-Gnadenthal (1954-57) b) St. Josef in Grevenbroich-Süd (1957-59)
3)Dokumentarfilm: „Die Böhms – Architektur einer Familie“, 2014 (dazu: 2 Minuten-Trailer bei “ YouTube“ )