Vortrag über das Schützenwesen am Niederrhein
Der Referent des heutigen Vortrags, Reinhold Mohr, war bis zu seiner Pensionierung Lehrer am Quirinus-Gymnasium in Neuss; er ist Vizepräsident des Kreisheimatbundes, Herausgeber der Zeitschrift „Gilde Gazette“ der Schützengilde Neuss, versierter Erforscher der Regionalgeschichte und in dieser Funktion Verfasser zahlreicher Schriften.
Zum Beginn stellte Herr Mohr den vollen Titel seiner PowerPoint-Präsentation vor: „Die Entwicklung des Schützenwesens am Niederrhein und im Neusser Raum vom hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert“ mit dem Untertitel „Ein Ausflug in die historische Entwicklung auch unter militärischen Gesichtspunkten“.
Die Entstehung des Schützenwesens reicht bis weit in das Mittelalter zurück. Die Bruderschaften hatten in dieser Zeit die Aufgabe, Haus und Hof in Kriegszeiten, bei Seuchengefahren und Glaubensstreitigkeiten zu schützen, besonders aber auch vor Gesindel, brandschatzenden Banden und Räubern zu verteidigen. Das kommt in dem Begriff „Schütze“ zum Ausdruck, der dem Schützen nicht nur die Fähigkeit zum „Schießen“ zuerkennt, sondern auch die Aufgabe zuweist, das Gemeinwesen zu „beschützen“. Die Bürger waren die geborenen Verteidiger der Stadt. Bürger konnten nur solche Einwohner sein, die selbstständig waren und über Grundbesitz in der Stadt verfügten. Sie besaßen genügend Geld, um Rüstungen und Waffen anzuschaffen und dazu Ledereimer für den Feuerlöschdienst. Die Bürger waren verpflichtet, die Stadt unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen. Dazu mussten sie sich durch ständige Übung fit halten. Tagelöhner, Gesellen und Bedienstete hatten diese Pflichten nicht, obwohl sie im Notfall natürlich auch zur Verteidigung der Stadt herangezogen wurden.
Die Schützenbruderschaften entstanden als Vereinigung der waffentragenden Bürger vorwiegend ab dem 15. Jh. Charakteristisch für sie sind die kirchliche Gebundenheit, die Pflege von Sport und Geselligkeit und die Fürsorge für kranke und notleidende Mitbürger. Ein gutes Beispiel ist die Neusser St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, deren Tradition heute von der Neusser Scheibenschützen-Gesellschaft von 1415 e.V. gepflegt wird, In der Gründungsurkunde vom 01.11.1415 heißt es: „Im Namen Gottes Amen! Zum Lobe und zu Ehren Christus Jesus, unseres Herrn, Mariä, Seiner lieben Mutter, und dem hochgelobten Märtyrer Sankt Sebastianus zu Diensten, so haben die Schützengesellen in der Stadt Neuss beschlossen, unter sich eine Bruderschaft von jetzt an immerfort bis in fernste Tage zu halten und alle Jahre am Tag des heiligen Märtyrers zu begehen und durchzuführen dermaßen als hernach geschrieben steht;“
Im 1.Abschnitt der Gründungsurkunde findet sich die Bitte „der heilige Märtyrer möge die Schützenbrüder beschirmen vor der Pest, vor Blattern, vor dem jähen Tode, vor Geschossen und anderen Leibesnöten.“ Die weiteren Bestimmungen heben fast ausschließlich auf religiöse und soziale Verhaltensweisen ab; so wurde die Verpflichtung, armen Schützenbrüdern Almosen zu spenden und für ein würdiges Begräbnis zu sorgen, ebenso festgeschrieben wie die Zahl der Seelenmessen, die im Todesfall für ein verstorbenes Mitglied zu lesen waren. Am Sebastianustag, dem 20. Januar, sollte zudem ein Brudermahl stattfinden. Regelungen über das Schießen finden sich überraschend nicht. Dass die Schützen als waffentragende Männer Schießübungen durchführten, verstand sich offenbar von selbst.
Ab dem 17. Jahrhundert jedoch wurden Verteidigung und Ordnung fast ausschließlich von bezahlten Söldnern übernommen. Dadurch verlor die militärische Funktion der Schützengilden immer mehr an Bedeutung. Um jedoch ihre bisherige Tätigkeit nicht einfach aufgeben zu müssen, gin-gen die Schützen dazu über, Feste mit Schießspielen und Wettbewerben zu veranstalten (Vogelschuss). Aus den ehemals militärischen Schützengilden wurden rein bürgerliche Vereinigungen. Was aus der alten Zeit blieb, war die starke und feste Bindung an die Kirche. Nur gelegentlich wurden die Schützen noch zu öffentlichen Aufgaben herangezogen. Der Referent nannte als Beispiele den Kampf gegen die Bockreiter im Herzogtum Jülich, die Belagerung der Lauvenburg durch die Kaarster Schützen, bei der diese zunächst unrühmlich in die Flucht geschlagen wurden, und die Bewachung von Straßenkreuzungen durch die Büttgener Schützen zur Bekämpfung einer Viehseuche.
Die Schützen haben ihre Ränge vom Militär übernommen. 1793 war die Stadt Neuss in vier Quartiere gegliedert. In jedem Quartier stand eine Kompagnie von 150 Mann, die jeweils von einem Hauptmann, einem Leutnant und einem Fähnrich befehligt wurden. Auch ihre Uniformen haben die Schützen nach militärischem Vorbild gewählt. Der Referent verdeutlichte dies anhand zahlreicher Bilder. So zeigte er in der „Bilder-Modenschau“ z.B. die Uniformen des Neusser Grenadier-Korps und des Neusser Sappeur-Korps im Vergleich zu ihren militärischen Vorbildern.
Wir dankten dem Referenten für seinen sehr interessanten Vortrag mit lebhaftem Beifall.