Vortrag

Vortrag:  „Das Ergebnis der Bundestagswahl – eine Wahlanalyse“.

 Der Referent, Prof. Dr. Jürgen Brautmeier, Uni Düsseldorf,  ist Historiker und Publizist und war bis zum Ende des vergangenen Jahres Direktor der Landesmedienanstalt. Sein Eintritt in den Ruhestand gab ihm Gelegenheit, die beiden Neusser Kandidaten Jörg Geerlings (CDU) bei der Landtagswahl und Hermann Gröhe (CDU) beim Bundestagswahlkampf zu beraten.

Ausgangslage

Die Demoskopen lagen hinsichtlich der großen Parteien falsch. Insbesondere die CDU erreichte mit 26,8 Prozent Zweitstimmenanteil deutlich weniger als die noch Mitte September von Allensbach prognostizierten 36,5%. Immerhin war klar, dass keine Partei alleine würde regieren können und dass die vier kleinen Parteien (FDP, Grüne, Linke und AfD) die 5%-Hürde nehmen würden.  So konzentrierte sich das Interesse der Wähler auf die kleinen Parteien, deren Erfolg für die Richtung der späteren Koalition bestimmend sein würde.

Wahlkampf und Wahlergebnis

Die Anstrengungen der Parteien richteten sich darauf, die eigenen Anhänger zu mobilisieren und möglichst viele der unentschlossenen Wähler (bis zum Schluss fast 30%) auf ihre Seite zu ziehen. Allerdings wiesen die Parteiprogramme, insbesondere von CDU und SPD, so viele Gemeinsamkeiten auf, dass der Wahlkampf weithin als langweilig empfunden wurde. Dazu trug auch das TV-Duell zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat bei, das viele als Werbung für ein „Weiter so wie bisher“ empfanden.

Das spielte der AfD in die Hände. Mehr als die Hälfte, wenn nicht zwei Drittel ihrer Wähler hat nicht die rechtsextremen Positionen der Partei geteilt, sondern nur ihre Unzufriedenheit mit der großen Koalition, den generellen politischen Verhältnissen und den zu wenig erkennbaren Differenzen zwischen den etablierten Parteien ausdrücken wollen.

Erklärung und Analyse

Statt an die Ursachen für die Unzufriedenheit heranzugehen, hat man sich mit den Symptomen beschäftigt. Politik und Medien haben den Fehler gemacht, den Aktionen und Provokationen der AfD hinterherzulaufen und ihnen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Inhalte, d.h. die Themen die die Menschen bewegen, kamen dabei zu kurz. Das sind im Wahljahr 2017 vor allem:

  • Einwanderung, Flüchtlinge, Ausländer, Integration,,
  • Soziale Ungerechtigkeit, Armut, Harz IV,
  • Rente, Alterssicherung.

Parteien und Medien müssen sich auf die Lösung dieser Probleme konzentrieren. Wir brauchen eine Politik, die den Menschen, die jetzt den Protest gewählt haben, das Gefühl vermittelt, nicht mehr protestieren zu müssen.

Die Wahl in Neuss

Die Platzhirsche, Hermann Gröhe (Neuss I) und Ansgar Heveling (Neuss II), siegten souverän. Sie bekamen deutlich mehr Stimmen als ihre Partei, so Hermann Gröhe 44,04 % Erststimmen, die CDU 35,36 % Zweitstimmen. Das Wahlverhalten der FDP-Wähler war taktisch geprägt. Sie gaben der Partei 15,02 % der Zweitstimmen und dem Kandidaten, der auf der Landesliste abgesichert war, nur die Hälfte. Die Wähler der beiden Protestparteien, der AfD und der Linken, haben durch entschieden und Kandidaten und Partei annähernd gleichviele Stimmen gegeben.

Resümee

Die traditionellen Parteien können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Um dies zu ändern befürwortet der Referent mehr Veranstaltungen, in denen die Wähler den Kandidaten Themen vorgeben und zur Diskussion stellen können (Vorbild auf Bundesebene: Die Wahlarenen). Die Kandidaten sollen dazu gebracht werden, ihre Kompetenz unter Beweis zu stellen und Farbe zu bekennen.  Sein Schlussplädoyer: „Zurück zu den Wurzeln, zur besseren Verankerung in der Bevölkerung, zur größeren Offenheit für deren Sorgen und Anliegen, zur Idee, dass alle Gewalt vom Volk ausgeht und deshalb die Parteien an dessen Willensbildung nur mitwirken, statt sie bestimmen zu wollen.“

Es gab eine lebhafte Diskussion. Prof. Brautmeier erhielt kräftigen Beifall.